SirDYNAMITE
Ex Burger-Ping Admins
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Wenn sich diese Frauen dann für das Kopftuch entscheiden, geschieht dies zumeist sehr überlegt, denn sie wissen, dass sie mit Diskriminierungen der Umwelt zu rechnen haben. Das Kopftuch ist dann ein Ausdruck einer bewussten Selbstverortung. Es wäre allerdings ein Fehler, dies als Ablehnung der Kultur der Mehrheitsgesellschaft zu bewerten. (Solche Einschätzungen der Mehrheitsgesellschaft zeigen sich in Umfragen, in denen ein hoher Prozentsatz der Befragten der Aussage zustimmen, Frauen würden ein Kopftuch tragen, weil sie provozieren wollen.) Das Kopftuch gibt den Frauen vielmehr die Möglichkeit, ihren eigenen Weg zu gehen, in dem sie den Anforderungen der Religion, der sie angehören, gerecht werden und gleichzeitig alle Möglichkeiten, die diese Gesellschaft ihnen bietet (Bildung, Ausbildung, Freiheit) nutzen können.
Leider wird ihre freie Entfaltung aber oft verhindert. Es gibt eine Studie über die Ausbildungsplatzsuche von ausländischen Mädchen, die zeigt, dass diesen Mädchen ein Ausbildungsplatz häufig mit der Begründung verwehrt wird, sie wären unterdrückt und unselbstständig, wenig motiviert und würden doch bald heiraten. Hier werden Klischees über die muslimische Frau wirksam, obwohl die Realität dem offensichtlich widerspricht: Die Mädchen und Frauen wollen ja ganz offensichtlich sich ausbilden und berufstätig werden. Es ist schon paradox, dass einerseits von den Frauen Emanzipation gefordert wird, andererseits ihnen der Zugang zum Beruf verwehrt wird.
Für diese Frauen besteht jedenfalls kein Widerspruch darin, sich als muslimische Frau zu emanzipieren und einen eigenen Weg einzuschlagen, zu dem auch das Kopftuch gehören kann. Dies anzuerkennen fällt der Mehrheitsgesellschaft ganz offensichtlich schwer. Birgit Rommelspacher, Professorin für Psychologie an der Alice-Salomon-Hochschule, hat dieses Phänomen sehr zutreffend analysiert: Für die Mehrheitsgesellschaft liege eine wesentliche Schwierigkeit darin, zu sehen, dass Widerstand gegen ihre Vorstellungen von Emanzipation selbst emanzipatorisch sein kann, und andererseits das Emanzipationskonzept der Mehrheitsgesellschaft selbst repressiv sein kann. Repressiv ist es dann, wenn es unabhängig von der Lebenslage und kulturellen Traditionen seine Vorstellungen den anderen überstülpen möchte und so im Namen von Freiheit und Gleichheit eigentlich nichts anderes als Unterwerfung einfordert. (Rommelspacher 2002).
Die Debatte um das Kopftuch wird wohl auch deshalb so erbittert geführt, weil hier auch Konflikte und das Selbstverständnis der Mehrheitsgesellschaft mitverhandelt werden. Es geht um Fragen nach dem Geschlechterverhältnis – ob es durch Differenz oder Gleichheit bestimmt ist, eine Frage, die auch in der feministischen Bewegung durchaus umstritten ist. Rommelspacher weist darauf hin, dass auch Dominanzverhältnisse unter Frauen eine Rolle spielen, und das die Kopftuchkontroverse für westliche Frauen auch die Funktion haben kann, sie in ihrem eigenen Selbstverständnis zu stärken, in dem man sich von einem „anderen“ abgrenzt. Und schließlich geht es um die Frage, welche Rolle Religion überhaupt in der Gesellschaft spielen sollte, hier gibt es ja auch innerhalb der Mehrheitsgesellschaft ganz unterschiedliche Positionen.
Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass diese ganze Debatte und vor allem die Art und Weise, wie sie geführt wurde und wird, sehr viel Schaden angerichtet hat. Die Folgen merken die muslimischen Frauen schon jetzt, weil sie es immer schwieriger haben, eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Viele leiden auch unter dem Eindruck, dass das gesamtgesellschaftliche Klima aggressiver geworden ist, weil durch diese Kontroverse eine starke Polarisierung stattgefunden hat.
Für die Zukunft des Zusammenlebens in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft ist es wichtig anzuerkennen, dass verschiedene Lebensentwürfe und unterschiedliche Vorstellungen davon, was Emanzipation bedeutet, gleichberechtigt nebeneinander existieren können, und das es nicht notwendig und auch gar nicht sinnvoll ist ein Konzept für alle verbindlich zu machen.
Und wenn man mit den Frauen selbst zu tun hat, kann man oft feststellen, dass muslimische und nichtmuslimische Frauen sehr viel gemeinsam haben. Da sie in der gleichen Gesellschaft leben, stehen sie vor den gleichen Fragen. Fragen wie die, ob sie besser eine Ausbildung anfangen oder ein Studium aufnehmen sollten, wie sie Familie und Beruf vereinbaren können, wann Zeit für die Babypause ist, oder ob sie vielleicht doch besser eine Karriere verfolgen sollten, wie sie ihre Beziehung erfolgreich gestalten können, wo man die günstigsten Klamotten kaufen kann, usw. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Ich habe ja am Anfang schon angedeutet, dass die Gegenüberstellung von „dem“ westlichen und „dem“ islamischen Frauenbild als zwei unvereinbare, einander diametral gegenüberstehende Konzepte eine künstliche ist. Und damit komme ich zum Schluss noch einmal zur Brigitte. Die befragte Interviewpartnerin, die Bundesgeschäftsführerin des Verbandes für binationale Familien und Partnerschaften, hat nämlich auf eine ungeschickte Frage eine sehr kluge Antwort gegeben: Sie sagte, dass es im islamischen Rollenbild der Frau genauso viele Differenzierungen wie im abendländischen gibt.
Und da auch das Selbstverständnis der Frauen sehr differenziert ist, gibt es neben Unterschieden auch Gemeinsamkeiten. Vielleicht wäre es mal ganz hilfreich, nach den Gemeinsamkeiten zu suchen.
Quelle:
http://www.al-sakina.de/inhalt/artikel/frauen_islam/frauen_islam.html
Viel zu lesen
Wenn sich diese Frauen dann für das Kopftuch entscheiden, geschieht dies zumeist sehr überlegt, denn sie wissen, dass sie mit Diskriminierungen der Umwelt zu rechnen haben. Das Kopftuch ist dann ein Ausdruck einer bewussten Selbstverortung. Es wäre allerdings ein Fehler, dies als Ablehnung der Kultur der Mehrheitsgesellschaft zu bewerten. (Solche Einschätzungen der Mehrheitsgesellschaft zeigen sich in Umfragen, in denen ein hoher Prozentsatz der Befragten der Aussage zustimmen, Frauen würden ein Kopftuch tragen, weil sie provozieren wollen.) Das Kopftuch gibt den Frauen vielmehr die Möglichkeit, ihren eigenen Weg zu gehen, in dem sie den Anforderungen der Religion, der sie angehören, gerecht werden und gleichzeitig alle Möglichkeiten, die diese Gesellschaft ihnen bietet (Bildung, Ausbildung, Freiheit) nutzen können.
Leider wird ihre freie Entfaltung aber oft verhindert. Es gibt eine Studie über die Ausbildungsplatzsuche von ausländischen Mädchen, die zeigt, dass diesen Mädchen ein Ausbildungsplatz häufig mit der Begründung verwehrt wird, sie wären unterdrückt und unselbstständig, wenig motiviert und würden doch bald heiraten. Hier werden Klischees über die muslimische Frau wirksam, obwohl die Realität dem offensichtlich widerspricht: Die Mädchen und Frauen wollen ja ganz offensichtlich sich ausbilden und berufstätig werden. Es ist schon paradox, dass einerseits von den Frauen Emanzipation gefordert wird, andererseits ihnen der Zugang zum Beruf verwehrt wird.
Für diese Frauen besteht jedenfalls kein Widerspruch darin, sich als muslimische Frau zu emanzipieren und einen eigenen Weg einzuschlagen, zu dem auch das Kopftuch gehören kann. Dies anzuerkennen fällt der Mehrheitsgesellschaft ganz offensichtlich schwer. Birgit Rommelspacher, Professorin für Psychologie an der Alice-Salomon-Hochschule, hat dieses Phänomen sehr zutreffend analysiert: Für die Mehrheitsgesellschaft liege eine wesentliche Schwierigkeit darin, zu sehen, dass Widerstand gegen ihre Vorstellungen von Emanzipation selbst emanzipatorisch sein kann, und andererseits das Emanzipationskonzept der Mehrheitsgesellschaft selbst repressiv sein kann. Repressiv ist es dann, wenn es unabhängig von der Lebenslage und kulturellen Traditionen seine Vorstellungen den anderen überstülpen möchte und so im Namen von Freiheit und Gleichheit eigentlich nichts anderes als Unterwerfung einfordert. (Rommelspacher 2002).
Die Debatte um das Kopftuch wird wohl auch deshalb so erbittert geführt, weil hier auch Konflikte und das Selbstverständnis der Mehrheitsgesellschaft mitverhandelt werden. Es geht um Fragen nach dem Geschlechterverhältnis – ob es durch Differenz oder Gleichheit bestimmt ist, eine Frage, die auch in der feministischen Bewegung durchaus umstritten ist. Rommelspacher weist darauf hin, dass auch Dominanzverhältnisse unter Frauen eine Rolle spielen, und das die Kopftuchkontroverse für westliche Frauen auch die Funktion haben kann, sie in ihrem eigenen Selbstverständnis zu stärken, in dem man sich von einem „anderen“ abgrenzt. Und schließlich geht es um die Frage, welche Rolle Religion überhaupt in der Gesellschaft spielen sollte, hier gibt es ja auch innerhalb der Mehrheitsgesellschaft ganz unterschiedliche Positionen.
Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass diese ganze Debatte und vor allem die Art und Weise, wie sie geführt wurde und wird, sehr viel Schaden angerichtet hat. Die Folgen merken die muslimischen Frauen schon jetzt, weil sie es immer schwieriger haben, eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Viele leiden auch unter dem Eindruck, dass das gesamtgesellschaftliche Klima aggressiver geworden ist, weil durch diese Kontroverse eine starke Polarisierung stattgefunden hat.
Für die Zukunft des Zusammenlebens in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft ist es wichtig anzuerkennen, dass verschiedene Lebensentwürfe und unterschiedliche Vorstellungen davon, was Emanzipation bedeutet, gleichberechtigt nebeneinander existieren können, und das es nicht notwendig und auch gar nicht sinnvoll ist ein Konzept für alle verbindlich zu machen.
Und wenn man mit den Frauen selbst zu tun hat, kann man oft feststellen, dass muslimische und nichtmuslimische Frauen sehr viel gemeinsam haben. Da sie in der gleichen Gesellschaft leben, stehen sie vor den gleichen Fragen. Fragen wie die, ob sie besser eine Ausbildung anfangen oder ein Studium aufnehmen sollten, wie sie Familie und Beruf vereinbaren können, wann Zeit für die Babypause ist, oder ob sie vielleicht doch besser eine Karriere verfolgen sollten, wie sie ihre Beziehung erfolgreich gestalten können, wo man die günstigsten Klamotten kaufen kann, usw. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Ich habe ja am Anfang schon angedeutet, dass die Gegenüberstellung von „dem“ westlichen und „dem“ islamischen Frauenbild als zwei unvereinbare, einander diametral gegenüberstehende Konzepte eine künstliche ist. Und damit komme ich zum Schluss noch einmal zur Brigitte. Die befragte Interviewpartnerin, die Bundesgeschäftsführerin des Verbandes für binationale Familien und Partnerschaften, hat nämlich auf eine ungeschickte Frage eine sehr kluge Antwort gegeben: Sie sagte, dass es im islamischen Rollenbild der Frau genauso viele Differenzierungen wie im abendländischen gibt.
Und da auch das Selbstverständnis der Frauen sehr differenziert ist, gibt es neben Unterschieden auch Gemeinsamkeiten. Vielleicht wäre es mal ganz hilfreich, nach den Gemeinsamkeiten zu suchen.
Quelle:
http://www.al-sakina.de/inhalt/artikel/frauen_islam/frauen_islam.html
Viel zu lesen